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Was bedeutet die Formulierung „unter dem Gesetz“ in Römer 6,14–15?*
Paulus gebrauchte die Formulierung in den beiden von dir erwähnten Versen, um eine Verbindung zwischen einem bestimmten Verständnis des Gesetzes in Bezug auf Sünde und Gnade herzustellen und die negative Bedeutung des Satzes „nicht unter dem Gesetz“ zu relativieren. Wir müssen bedenken, dass die Diskussion über das Gesetz im Kontext seiner Kontroverse mit falschen Lehrern stattfand, die mit ihrem Einsatz für die Einhaltung des Gesetzes ihre eigenen Ziele verfolgten.
1. Sünde, Gesetz und Gnade. Im Römerbrief stellte Paulus klar, dass alle Menschen unter der Herrschaft der Sünde stehen und dass der Glaube an Christus der einzige Weg ist, Freiheit zu erfahren (Röm 3,19–24). In diesem Zustand der Versklavung unter der Sünde spielt das Gesetz eine negative Rolle (Röm 7,7–12). Aber für diejenigen, die an Christus glauben, ist die Sünde nicht mehr der Gebieter, weil sie „nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind“. (Röm 6,14) Im Kontext bedeutet „unter dem Gesetz“, unter der Herrschaft der Sünde und nicht unter der der Gnade zu stehen. Gnade und Gesetz werden negative gegenüberstellt. Wenn unter der Gnade zu sein bedeutet, durch den Tod des Sohnes Gottes unter seiner erlösenden Kraft zu stehen, dann bedeutet unter dem Gesetz zu sein, durch Unterwerfung unter das Gesetz Annahme vor Gott zu suchen. Das bedeutet für sich genommen, dass der Mensch unter der Macht der Sünde und nicht der Gnade steht, den für Paulus hat jeder Mensch das Gesetz Gottes übertreten und steht unter dem Fluch beziehungsweise der Verdammnis des Gesetzes (Gal 3,10). Die Befolgung des Gesetzes hat keine Sühnekraft; sie kann nicht von der Macht der Sünde erlösen, weil sie nicht in der Lage ist, das Leben der Sünder wiederherzustellen (V. 21). Tatsächlich ist es so, dass das Gesetz, das von der Sünde missbraucht wird, die Menschen aufgrund ihres sündigen Zustandes zur Sünde animiert (Röm 7,8–9), obwohl das Gesetz selbst gut ist (Vers 12). Was die Menschen brauchen, ist Gottes Gnade durch den Glauben an Christus. Unter dem Gesetz zu sein – das heißt durch das Gesetz Annahme bei Gott zu suchen – bedeutet, unter der Verurteilung des Gesetzes und damit unter der Macht der Sünde zu leben (Röm 3,21.28).
2. Nicht unter dem Gesetz. Paulus stellt eine Frage und beantwortet sie sofort: „Was nun, sollen wir sündigen, weil wir nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade sind? Auf keinen Fall!“ (Röm 6,15 EB) Er setzt nun den möglichen Implikationen des Satzes „Wir sind nicht unter dem Gesetz“ Grenzen. Dieser Satz bedeutet nicht, dass das Leben des Christen durch Gesetzlosigkeit gekennzeichnetist. Die Gläubigen sind gewiss nicht verpflichtet, dem Gesetz zu gehorchen, um gerechtfertigt zu sein, aber sie sind bereitwillig „von Herzen [aus ihrem tiefsten Innern heraus und aufrichtig] gehorsam … der Gestalt der Lehre [der Lehre, die das Leben des Christen formt], an die ihr übergeben wurdet.“ (Vers 17) Das Leben des Christen schließt den Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes nicht aus, sondern gibt ihm im Blick auf die Gnade den richtigen Platz. Der Glaube an Christus hebt das Gesetz nicht auf, sondern richtet das Gesetz auf (vgl. Röm. 3,31), weil nun durch die Kraft der Gnade Gottes „die Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, in uns erfüllt“ werden kann, „die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist“. (Röm 8,3–4) Das Gesetz ist nicht mehr ein Mittel, um von Gott angenommen zu werden, sondern eine Richtschnur im Leben des Christen, die zu seiner Heiligung dient.